Eine linke Hand kann wenig. Meine ist zum Beispiel nicht in der Lage, die Fingernägel meiner rechten Hand so zu lackieren, dass es anders aussieht als bei einer Fünfjährigen. Deshalb gönne ich mir in meinem neuen Leben (arbeitslos, äh, freischaffend) den Luxus einer Maniküre alle paar Tage. Der Laden ist klein, unspektakulär und im Fernseher läuft CNN. Meine Freundin Suse hat ihn mir empfohlen, hier sei es günstig und gut zugleich. Ich sitze Indira gegenüber. Sie kommt aus Nepal und es verbietet sich von vorneherein jeder Vergleich mit gleichnamigen Frauen. Indira kümmert sich knapp eine Stunde um meine Fingernägel und hat dabei Zeit zum Quatschen. Woher ich käme, warum ich hier sei, warum ich denn wieder weg wolle, gefalle es mir hier etwa nicht usw. Wir reden natürlich auch über den Mann, also meinen, den ich nur so nenne, der aber ja eigentlich mein Boyfriend ist. Da leuchten ihre Augen. Warum sind wir denn noch nicht verheiratet? Ja warum denn nicht? Ich erzähle ein bisschen, zum Beispiel von seiner Dissertation in Amerikanistik und dann sagt Indira: “Wait ’til he’s a doctor! Then you get married!” Ich stelle mir den Mann im weißen Kittel vor und versuche zu erklären, dass er als Dr. nicht zwangsläufig zu einer besseren Partie wird. Aber das ist egal, die Nägel sind fertig und so gut wie jetzt sahen sie noch nie in meinem ganzen Leben aus. Weil sie noch etwas trocknen müssen, zieht mir Indira meine Jacke an, setzt mir die Mütze auf und schiebt mir meinen (nicht Verlobungs-)Ring zurück an den Finger. Das finden wir beide niedlich.