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Tom’s Restaurant

Ich erwähnte es bereits, ich bin fernsehsüchtig. Nicht nach allem, aber nach einigem, vom Qualitätslevel her variierend. Wenn ich schaue, dann mit hundertprozentiger Aufmerksamkeit, ich merke mir Kleinigkeiten, sonst ein Manko meinerseits. Die Menschen um mich herum können dann mit mir reden, lassen es aber meistens sehr schnell bleiben, weil ich sowieso nichts höre. Einige meiner Lieblingsserien spielen in New York, wo ich rein zufällig ja gerade bin. Ich laufe also durch die Straßen und habe mindestens einmal in der halben Stunde die Gelegenheit Dinge zu sagen wie: “Guck mal, das ist das Hotel von Chuck Bass!” oder “Hat Ted nicht gesagt, hier gebe es die besten Hot Dogs der Welt?” Leider umgebe ich mich viel mit Menschen, die ihre Zeit mit anderen Dingen verbringen, was ich nicht verstehen kann und was frustrierend ist. Meine Bemerkungen laufen dann ins Leere, wenn ich Glück habe, kommt ein mitleidiges “Da muss man wahrscheinlich die Serie kennen”. Pft! Ich war schon einige Male drauf und dran, ganz alleine eine dieser Stadtrundfahrten zu machen, die mich zu den Schauplätzen berühmter Serien bringen würden. Das ist mir aber ein bisschen zu einfach und auch gar nicht nötig. Ich suche lieber alle nötigen Adressen raus und wenn ich dann zufällig in der Gegend bin, laufe ich so zufällig wie möglich vorbei. Man will es ja auch authentisch halten.

Letzte Woche war ich also mit dem Mann am Central Park. An der westlichen Ecke liegt Tom’s Restaurant. Es ist gleich mehrfach popkulturell bekannt: Suzan Vega hat den wunderschönen Song “Tom’s Diner” darüber geschrieben, es ist das Stammlokal von Jerry Seinfeld in der gleichnamigen Sitcom und wie ich vor Ort noch erfuhr, hat Barack Obama in seiner Zeit an der Columbia University hier gerne seinen Burger gegessen. Wir essen keinen Burger, sondern wegen der Tageszeit Apfelkuchen mit Sahne. Und auch, wenn es innen drin ganz anders aussieht als in “Seinfeld”, fühlte ich mich dem richtigen New York so nah in diesem Moment, in dem ich eigentlich nach der fiktiven Fernsehrealität gesucht hatte. Das Restaurant wurde seit vielen Jahren nicht renoviert, ist gefüllt mit Familien, alten und jungen Menschen, Studenten und uns zwei Touristen. Es ist gemütlich, geschäftig und unglaublich günstig. Die Wände hängen voller Zeitungsausschnitte und Fotos der “Seinfeld”-Darsteller, Obamas und anderer berühmter Stammkunden, und trotzdem ist es ein ganz normales Diner geblieben. New York ist eben viel zu cool, als dass es wegen solcher Kleinigkeiten wie einer Fernsehserie etwas Gutes ändert oder touristisch ausschlachtet. Im Gegenteil. Wenn man Glück hat, wird so ein Ort nicht abgerissen oder verunstaltet. Im Prinzip ist die ganze Stadt eine einziger Drehort, durch den ich laufe und Vertrautes erkenne, aber keine Kulisse.

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Williamsburg

Es ist März. Die Sonne scheint jetzt länger und intensiver, und beim Fotografieren fallen mir nicht mehr die Finger ab. Diese ständige iPhone-Knippserei muss auch mal eine Weile ausgesetzt werden, ist zwar superfix und bequem, aber ich habe doch das Canon-Schätzchen auch dabei. Vorgestern sind wir zusammen durch die Nachbarschaft spaziert.

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Urbane Faulheit

Es ist das Second Stop Cafe in Williamsburg, Brooklyn und ich bin zum Kaffee mit Suse verabredet. Entspannen ist allerdings nicht ganz einfach, denn überall wird gearbeitet bzw. so getan. Man kennt das von zuhause, aber in diesem Ausmaß wirkt es trotzdem ein wenig exotisch. Sogar Suse hat ihren Laptop dabei. Sie arbeitet, ich versuche mit dem iPhone etwas mitzumachen, zwischendrin quatschen wir. Das ist erstaunlicherweise total entspannend. Aber auch weil ich dann statt zu arbeiten im New York Times-Magazin lese, einen Artikel über Schokoladenkuchen.

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“Da musst Du unbedingt hin!”

Wer in den Urlaub fährt, freut sich auf neue Entdeckungen, soll aber andauernd die Lieblingsplätze seiner Freunde besuchen.

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So selten und so schön ist sie, die Reise. Einmal geplant und gebucht, bereitet der Urlauber sich liebevoll darauf vor, denkt sich an diesen und jenen Ort, liest sich etwas Wissen an. Das alles tut er, damit sie schön wird, die Reise und eindrucksvoll, damit er neue Dinge entdeckt, von deren Existenz er vorher nichts ahnte. Und damit er Orte sieht, die keiner vor ihm sah, zumindest keiner, den er kennt. Er vermeidet die Marco Polo-Büchlein mit ihren „Insidertipps“, denn er möchte lieber alleine durch Gassen schlendern oder in schlechtem Einheimisch den Concierge fragen, wo er in diesem Ort wohl das beste Essen serviert bekäme. So denkt er sich das, und erzählt dann einem Freund von seinen Plänen.

Ab diesem Zeitpunkt verliert die Reise etwas an Glanz, es ist ein wenig, als würde dein kleine Bruder einmal quer über die Waffel lecken bevor er dir das Eis reicht. Denn ein Freund tut in dieser Situation, was ein guter Freund eben tut: Er gibt ihm Tipps. Natürlich war er selbst schon in dieser Stadt und natürlich gibt es da jede Menge falsch zu machen. Das will der hilfsbereite Freund nicht und erzählt von sämtlichen eigenen Erfahrungen. Die solle der abreisebereite Freund bitte gleich mal mitnehmen, die würden ihm helfen. Das beste Frühstücksei zum Beispiel, das gebe es in diesem kleinen Hotel in der und der Straße im Stadtteil, von dem der Reiseplanende noch nie vorher gehört hat. Da MÜSSE er absteigen, das ginge gar nicht anders. Der Freund redet sich in Rage, warnt vor Touristenfallen, in die der Reisende gar nicht vor hatte zu tappen und im Laufe des Gesprächs tut der Freund immer mehr, als wäre diese Stadt seine eigene, als wäre er dort aufgewachsen, kenne alle Tricks und teile sein Wissen gern. Solche Gespräche wiederholen sich vor der Abreise noch einige Male mit verschiedenen Menschen und nie sind es die gleichen Hinweise, die der Reisende bekommt. Er solle dort Pizza essen und da einkaufen gehen, unbedingt Dies mal anschauen und auf keinen Fall Das verpassen. Höflich ist der Reisende und macht sich Notizen mit Adressen und Wegbeschreibungen, U-bahn-Linien und sogar Speisekartenauszügen. Er wird zunehmend verwirrter und denkt sich, dass es wohl leichter gewesen wäre, einfach einen Tag vor Abreise einen Marco Polo-Reiseführer zu kaufen. Er überlegt, wie er all die Lieblingsplätze seiner Freunde in seiner Reise unterbringen kann und wo da Platz bleibt für seine eigene Liste, die er sich in seiner touristischen Blauäugigkeit zusammengestellt hat ohne zu bedenken, dass es hier und da auch schrecklich oder langweilig oder beides sein könnte. Kurz: Der Reisende ist angespannt.

Was er nicht merkt: Es geht hier mal wieder um Angeberei, wenn auch unbewusst. Die Empfehlungen seiner Freunde sind sicher alle lieb gemeint, dienen aber im Prinzip nur dazu, der eigenen Weltgewandtheit Ausdruck zu verleihen. Natürlich war mittlerweile jeder schon einmal in New York und natürlich immer in einer anderen Gegend und einem anderen Hotel und NATÜRLICH sind die Erinnerungen seitdem ein bisschen ausgeblichen oder besser aufpoliert worden. Der Freund hat sich damals gut gefühlt, er urlaubte und das auch noch in so einer tollen Stadt oder Gegend, da kam ihm Vieles supertoll vor. Natürlich hat er nicht alle Hotels, alle Clubs und alle Restaurants getestet, genauer gesagt waren es so wenige, dass der Reisende davon ausgehen kann, dass noch einige gute Orte für ihn zu entdecken sind. Immerhin liegt der Reiz am Reisen ja genau in den kleinen Entdeckungen, die jeder selbst macht und auf die er stolz ist. Das Gefühl in solch einer eigenen Entdeckung zu sitzen ist mit euphorisch, wissend und einfach nur super zu beschreiben. An einige Orte wird sich der Reisende noch lange erinnern und genau von diesen wird er seinen Freunden erzählen, wenn er wieder zuhause ist. Er würde am liebsten immer mal wieder hinfahren, noch einmal dieses Gefühl haben und wenn er es schon nicht kann, dann wenigstens die Menschen, die ihm am Herzen liegen. Sobald der Ort erwähnt wird, freut er sich, erzählt vom Margarita in der besten Bar der Welt und schließt mit: „Da musst Du dann auch unbedingt hin!“ Er hat vergessen, was dieser Satz für ihn bedeutet hat. Und auch, dass er selbst nie dahin gegangen ist, wo seine Freunde ihn hingeschickt hatten.

Dieser Text wurde zuerst auf jetzt.de veröffentlicht.

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Warten auf Neko

Was tut man, wenn das Geld am Monatsende knapp wird? Auch ohne entsprechenden Ratgeber (es gibt z.Z. so viele Bücher über billiges Leben!) ist schnell klar: no Neko Case-Conzert for me. Stattdessen gönne ich mir die kostenfreie Veranstaltung im großen Buchladen am Union Square. Dort gibt es regelmäßig Gig-Lesungen, sie nennen es “Authors & Artists”: Jeweils ein Vertreter der jeweiligen Berufsgruppe findet sich für eine Stunde in der obersten Etage dieses Buchladens ein, redet mit einer Moderatorin über die eigene Arbeit, fragt auch mal den Anderen und zwischendrin liest der Autor und musiziert der Musiker. Ben Folds war schon da, zusammen mit Nick Hornby und auch Nick Zinners von den Yeah Yeah Yeahs, der ebenfalls mit Freunden ein Buch geschrieben hatte. Die Autoren und Künstler müssen sich allerdings nicht unbedingt kennen, so wie im aktuellen Fall Case/Showalter. Diese Kombination ist vor allem auf Kurzweiligkeit ausgelegt, das einzig Langweilige ist das Warten vorab, das Besetzen der guten Plätze im sich schnell füllenden Obergeschoss. Anders als bei Konzerten sitzt man dabei und ich bin mittlerweile in einem Alter, in dem ich das sehr zu schätzen weiß. Eine Angestellte des Buchladens erklärt dann die Regeln: sitzen bleiben, schön klatschen, keine Blitze – denn das Ganze wird später als Video ins Netz gestellt. Das Interview-Lesungs-Konzert scheint auf den ersten Blick genauso strukturiert abzulaufen, die Moderatorin hat einen Notenständer für ihre Fragen vor sich aufgebaut, wird dann aber zum Glück vom zum Scherzen berufenen Comedian Michael Showalter aus dem Konzept gebracht. Der war wohl mal bei MTV, hat in einigen Filmen mitgespielt und erzählt jetzt, wie er das obligatorische Buch obendrauf packte. Er wirkt fast unsympathisch, ist aber ganz lustig, genau wie die Stellen, die er aus seinem Buch “Mr. Funnypants” vorliest. Neko Case sitzt neben diesem Spaßvogel etwas zurückhaltend auf ihrem Stuhl, blinzelt in die Scheinwerfer und variiert ihre Frisur von offen zu Pferdeschwanz zu Dutt und zurück im Minutentakt. Dann darf sie auch ein bisschen erzählen, leider nur im engen Rahmen der Fragen – wie entsteht ein Song, wie lange dauert das, was inspiriert dich – blablabla. Man möchte danach noch ein Bier mit ihr trinken gehen, um ihr die viel wichtigeren Fragen zu stellen, denn Zuschauereinwürfe sind leider nicht erlaubt. Sie spielt dann vier Songs, fast ein halbes Konzert rechne ich mir aus, und wenn sie nicht vorher schüchtern sagen würde, sie könne das mit den hohen und tiefen Tönen live nicht so gut, wäre es perfekt, trotz der ekelhaften Helligkeit. Wow. Die Stunde ist dann auch schon um, man könne sich Bücher und CDs signieren lassen, ruft die Organisationsdame, dafür bitte sitzen bleiben, die Reihen würden dann nacheinander aufgerufen zum Anstellen. Ich denke kurz darüber nach, meinen iPod signieren zu lassen, überlege es mir aber anders und gehe schnurstracks vor die Tür, um eine zu rauchen. Für das kleine Bisschen Gefühl von Rock’n’Roll.

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Happy Hour

Yoga fiel letzte Woche aus. Einmal mit Suse verabredet, fuhr ich trotzdem nach Manhattan. Es war früher Abend, sie hatte zwei Kolleginnen dabei und die Frage war: Essen gehen oder “Happy Hour”? Letzteres kenne ich nur von schlecht laufenden Cocktailbars, es gibt zu den unmöglichsten Zeiten zwei Getränke zum Preis von einem, oder so. Ich hatte ein bisschen Angst, aber nur kurz, dann standen wir im Vig 27, einer schwulen Bar gleich an der Park Avenue. Ich war nicht arbeiten wie die anderen Mädels und trotzdem sofort entspannt wie nach einem harten Tag. Ganz klar brauchte ich einen Drink. Ein paar Cocktails waren billiger als sonst, soviel zur Happy Hour, ich nahm irgendwas mit Gurke. Die Feierabendmädels werteten den Arbeitstag aus und ich war gleichzeitig wehmütig und ein wenig froh, da nicht mitreden zu können. Solche Gespräche habe ich nun wirklich genug geführt. Gut erzogen wie sie sind, wechselten die Drei bald das Thema. Erst ging’s um mich, dann um die verflixte Dategeschichte einer Anwesenden, später um Trash-TV, alles schon viel eher meine Themen. Ein bisschen war’s wie im Film – vier Mädels mit Cocktails reden und lachen in einer Bar, deren Wände mit rosa Perlen behangen sind. Aber es war gut. Sehr. Genau das, was man braucht in einer fremden Stadt. Später kam eine weitere Bekannte von Suse dazu, wir waren gerade bei den “Real Housewives of Beverly Hills” (beste Realityshow der Welt) und ich sollte sie fix auf den neuesten Stand bringen. Ich teilte mein umfangreiches Wissen sehr gern und dann wollte sie wissen, mit welchem der anwesenden Mädels ich denn zusammenarbeiten würde. Der Abend war bis dahin schon gut und wurde besser, einfach weil jemand mein – zugegeben nicht immer astreines – Englisch nicht gleich enttarnt hatte. Manchmal ist es so einfach, mich glücklich zu machen. In exakt dieser Kombination in exakt dieser Bar möchte noch mehr Drinks trinken.

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