Neulich zum Frauentag wurde ich nach meiner Meinung zum Thema gendern befragt. In knackigen anderthalb Minuten sollte ich erzählen, wie ich das als Moderatorin und Journalistin so handhabe, OB ich es überhaupt mache und wenn ja, warum und wenn nein, warum nicht. Ein ganz willkommener Anlass, mal meine Gedanken zu sortieren, bisher habe ich mich da ja eher so Trail&Error-mäßig durchprobiert.

Die große Überraschung zu erst: In den vergangen 39 Jahren habe ich so einiges gelernt, vieles aber auch falsch, was ich erst knacken und dann neu lernen muss. Schönes Beispiel: Ich hab mal ein altes iPhone über Ebay Kleinanzeigen verkauft und die Frau, die es abholte hatte einen Lufthansa-Schlüsselanhänger und war wunderschön. Mein erster Impuls: Ah, eine Stewardess! Als das Telefon übergeben war, hab ich sie gegoogelt (wie man das halt so macht) und schau’ an: Sie war Pilotin! Hätte ich mich aufgeregt, wenn das meinem Mann passiert wäre! Über mich selbst habe ich mich nicht weniger geärgert und das dann zum Anlass genommen, mal genauer diese tief sitzenden Muster zu entdecken, zu prüfen und einige davon in die Tonne zu drücken.

Das gendern fand ich am Anfang total übertrieben, umständlich und unnötig. Mich persönlich hatte das immerhin nie gestört. (Heute weiß ich, dass allein dieser Umstand meistens kein zuverlässiger Indikator ist.) Als damals diese Frau geklagt hatte, weil ihre Sparkasse sie mit “Kunde” statt “Kundin” angesprochen hat, hab ich noch den Kopf geschüttelt und mir gedacht, die hat ja Probleme, ist doch klar, dass sie auch gemeint ist, sonst würde sie ja keine Post bekommen.. pah!
Aber es ist eben doch ein Unterschied. Ich arbeite mit Worten, ich merke das: Wenn ich von “Pilotinnen” rede, ploppen in den Köpfen (und Radio ist Kopfkino, heißt es immer so schön) ganz andere Bilder auf als bei “Piloten”. Dazu gibt es mehrere Studien, das kann kaum einer abstreiten und das reicht mir als Argument dann auch schon. Weil Frauen natürlich auch Pilotinnen wurden, als noch nicht gegendert wurde, aber die Norm immer die männliche war. (Und wenn mir jetzt jemand mit der englischen Schreibweise kommt, ja, da sind alle gleich – da gibt es aber keine Artikel. Alles ist “the”, nichts “der, die das”.)

Vom Merken bis zum Umsetzen on air hat es dann noch eine Weile gedauert. Anfangen habe ich mit beiden Formen – “Piloten und Pilotinnen” oder besser noch “Pilotinnen und Piloten” – das mache ich bis heute, auch wenn es im Radio recht unelegant klingt, sobald man mehrere Dinge aufzählt. Der Aufwand, da drumrum zu kommen ist am Anfang recht hoch und es fällt auf, mir und den Hörer*innen, weil es nicht ganz so flüssig und stattdessen ungewohnt klingt, heute noch. Neutrale Formen (Studierende) schaffe ich mir so nach und nach drauf, finde sie meistens aber auch recht künstlich. Am liebsten ist mir das Gendersternchen geworden, auch weil ich es bei Kollegen höre und gar nicht fremd finde. Allerdings: Wenn ich es spreche, dann ist Hörermailmäßig ordentlich was los in der Redaktion! Und da es mittlerweile redaktionsinterne Regelungen gibt, muss ich aufpassen, dass ich nicht auch von den Chefs eins auf die Mütze bekomme. Wir werden da angehalten, es so unauffällig wie möglich umzusetzen, aber ich frage mich auch, warum man so einen Wandel nicht auch merken darf?
Ich wurschtel mich also so durch, schaue, in welchem Satz was besser passt und womit ich so wenige Leute wie möglich ausschließe. Ich finde, es lohnt sich und schaue mir meckernde Hörer*innen-Mails sowieso nur an, wenn sie irgendwas Konstruktives beizutragen haben.

Meine letztendliche Motivation hat aber gar nichts mit meinem Job zu tun. Wie wichtig es ist, nicht nur alle mit zu MEINEN, sondern das auch auszusprechen, merke ich in Gesprächen mit meiner Tochter. Wenn ich ihr sage: “Wir gehen heute zum Arzt”, dann korrigiert sie mich: “Mama, das ist doch ne Ärztin!”. Da sie mit ihren 5 Jahren noch keine Ahnung von den Debatten ums Gendern hat, ist sie für mich vorerst der Maßstab, wie man es ganz natürlich handhaben sollte.

 

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