Dieser Text erschien unter dem Titel “Verliebt in Leipzig” in der gedruckten Septemberausgabe der myself und weil ich heute halbjähriges wieder-in-Leipzig-Jubiläum feiere, will ich es einmal mehr in die Welt hinausrufen. Diese Stadt macht mich – wieder – so glücklich!

 

Leipzig ist immer eine gute Idee

Eine kleine Bedienungsanleitung plus To Do-Liste für die derzeit aufregendste Stadt Deutschlands

„Schreib nicht so viel über Leipzig!“, raunen sie mir eindringlich zu. „Sonst kommen noch alle her und es ist wirklich wie in Berlin!“ Das hier bleibt also bitte unter uns! Und gleich noch etwas: Wer Leipzig entdecken will, sollte sich beeilen, denn morgen könnte es hier schon wieder ganz anders aussehen. Keine Stadt in Deutschland wächst so schnell, keine Stadt wird öfter mit anderen verglichen – Paris, Venedig, Berlin – und keine hat einen peinlicheren Spitznamen (#hypezig). Und keine ist so hinreißend!

Leipzig hat dieses Flair, das zu beschreiben eigentlich nur ein Wort braucht: Freiheit. Das ist auch dem Stadtmarketing schon eingefallen, gemeint war immer 1989 und die Demonstrationen, die von hier aus alles änderten. Aber meine Freiheit hier ist eine andere, eine private und sie ist der Hauptgrund für den, entschuldigung, Hype und die magische Anziehungskraft dieser Stadt. Hier zu leben fühlte sich schon als Studentin richtig und nach Auf- und Ausbruch an, auch wenn mich damals nur gut 100 Kilometer von Zuhause trennten. Leipzig war und ist wacher, aufregender und gegenwärtiger als Dresden, bescheidener und charmanter als Berlin und an manchen Stellen wirklich so schön wie Paris, das schon. Und nicht nur wegen der fast schon obszönen Masse an renovierten Gründerzeithäusern kommt mir Leipzig heute lebenswerter vor als noch vor ein paar Jahren, was den Hype noch besser erklärt und auch daran liegt, dass sich alle anderen deutschen Großstädte so übersättigt, überfüllt und überteuert anfühlen. Wahrscheinlich wird es auch das Schicksal dieser Stadt sein, in ein paar Jahrzehnten und das ist ein Grund mehr, Leipzig jetzt zu entdecken und dann immer wieder. Das, was Leipzig so frei macht und wahrscheinlich irgendwann verschwinden wird, ist alles, was nicht da ist, sind die Brachen, Industrieruinen, unbebauten Grünflächen und leerstehenden Häuser, dazwischen das pure Leben, das ist das Verrückte. Die Freiräume schaffen tausend Möglichkeiten, sich hier zu verwirklich, ob an einer Uni oder mit bezahlbaren Ateliers und Läden. Es wimmelt von Kreativen, Start-Ups und Ideen, die einfach schnell mal umgesetzt werden.

Das Wiederkehren nach sieben Jahren fiel mir unglaublich leicht und zum großen Leipziger Glück fehlt mir jetzt eigentlich nur noch einer der vielen Schrebergärten, übrigens nach einem Leipziger benannt. Genau wie der Baedeker, der hier erstmals erschien, dessen aktuelle Ausgabe zu kaufen, sich auch lohnt, aber nicht sein muss. Leipzig ist Traumstadtmaterial und macht es Besuchern auch ohne Reiseführer leicht: Einfach loslaufen oder, besser noch, losradeln und dann finden, wonach man gar nicht gesucht hatte. Die Stadt ist flächenmäßig recht überschaubar, weswegen man sich hier verlieren kann, ohne verloren zu gehen. Ohne Plan, aber mit offenen Augen landet jeder Besucher schnell in einem der Parks, die sich wie Farbkleckse über die Stadt verteilen. Dazwischen wie Pinselstriche die Kanäle, auf denen Ausflugsboote und Kajaks fahren, je nach Fitnessgrad, vom Wasser aus lassen sich zu Lofts umgebauten Jahrhundertwende-Fabriken besonders gut anschmachten. Ein Besuch der alten Baumwollspinnerei mit ihren Ateliers und Galerien – und exzellenten Selfie-Locations – ist genauso ein Muss wie die Eisenbahnstraße, die angeblich gefährlichste Straße Deutschlands, entlangzulaufen und sich von deren Freundlichkeit überraschen zu lassen. Der Osten ist immer noch wild, das schon, aber er wird zutraulicher. Genau wie die Leipziger selbst, die zwar ein wenig Angst vor der Ver-Berlinisierung ihrer geliebten Stadt haben, dann aber trotzdem jeden einladen, der zufällig in eine ihrer Partys stolpert um zusammen die Nacht durchzutanzen. Zwischendrin so viele barfüßige Menschen, wie ich sie sonst nirgendwo gesehen habe und eine entspannte Nettigkeit, die mich täglich erstaunt. Bis ich mich dann irgendwann wieder dran gewöhnt habe und selbstverständlich selig bin auf meiner recht alternativen und doch immer mehr rausgeputzten Insel im sonst so konservativen und etwas steifen Sachsen.

Leipzig ist immer eine gute Idee und ja, die Liste an Möglichkeiten, in Leipzig seine Zeit zu vertrödeln, ist lang. Aber es gibt auch einen Lichtblick: Das Leipziger Umland ist, abgesehen von ein paar erfrischenden Tagebauseen so unspektakulär, dass es sich nicht lohnt, die Stadt zu verlassen. Es bleibt also trotz allem übersichtlich. Und wer doch nicht fertig wird, der – psst – zieht wie ich einfach her. Es lohnt sich!

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