Neulich lief dieser Song von Nada Surf in meiner Radiosendung und ich habe mich erst gefreut, weil ich ihn so mag, und dann beim laut Hören und Mitsingen geweint.
Es gibt diese Lieder, die ich in einer bestimmten Zeit meines Lebens sehr oft gehört habe, sie waren meine Hymnen, meine Therapie, mein Zuhause. Und dann ging das Leben weiter. Dann kamen neue Emotionen, die ihre Äquivalente in den Worten und Melodien anderer gesucht haben und neue Musik. Und immer, wenn ich diese Lieder später höre bin ich zwiegespalten, weil sie noch immer zu meinen liebsten Liedern gehören, klar, aber weil sie auch zeigen, was mich damals so bewegt hat, wie schlecht es mir manchmal ging und wie schwer es manchmal war, da wieder rauszukommen.
Genau so ist es bei diesem Lied und natürlich mag ich es noch immer sehr. Stimme, Melodie und Text spielen einfach perfekt ineinander, es ist traurig, aber hoffnungsvoll. Und es packt mich heute noch anders als ähnliche Songs, weil es so aufgeladen ist mit Gefühlen, meinen eigenen.
Making out with people
I hardly know or like
I can’t believe what I do
Late at night
Ich erinnere mich an meine Zwanziger, in denen wirklich viel los war, aber mein Herz ganz langsam verkümmerte. Ich war seit Jahren Single, meine letzte ernsthafte Beziehung war Jahre her und ich hatte das Gefühl, allein auf der Welt zu sein. Ich hatte Freunde, ich hatte Spaß, aber ich habe mich nicht verliebt und ich hatte mich selbst, so im Nachhinein, auch nicht sehr gern. Ich gab meinen Freunden Beziehungsratschläge und wusste selber nicht mehr, wie sich das eigentlich alles anfühlte, meine Eltern ließen sich scheiden und auch wenn ich den Glauben an die Liebe nicht verlor, war ich mir irgendwann sicher, dass ich sie ganz sicher nicht mehr finden werde. Ich dachte wirklich, ich bleibe für immer so allein, und ich lache im Nachhinein nicht drüber, weil ich noch weiß, wie scheisse sich das anfühlte.
I wanna know what it’s like
on the inside of love
I’m standing at the gates
I see the beauty above.
Es klingt alles ziemlich dramatisch, aber das war es auch. Ich las damals viel und ich hörte sehr traurige Musik, die gleichzeitig aber so schön war, dass sie mich über diese Zeit gerettet hat. Nur ab und zu kam meine Mitbewohnerin ins Zimmer und ermahnte mich, dass ich jetzt mal wirklich damit aufhören sollte, solch deprimierende Musik zu hören.
I’m on the outside of love
always under or above
I can’t find my way in
I try again and again
Mit ein paar Jahren Abstand erinnere ich mich gerne an meine Zwanziger, möchte aber bitte nie wieder dahin zurück. Es waren freie, aufregende Jahre, voller Abenteuer, Reisen, Euphorie und Abstürze, eigentlich alles genau richtig. Ich habe mich ausgetobt, wie man sagt und ich habe genau das gebraucht, um jetzt genau so zu leben, verheiratet, mit Kind und Hund und weniger Rock’n’Roll als früher, ohne das Gefühl etwas zu verpassen. Ich wusste immer, wie wichtig es mir ist, jemanden zu lieben und geliebt zu werden, ein Team zu sein und zwar für immer, egal was kommt.
Must be a different view
to be a me with a you.
Es hat dann noch ein paar Jahre gedauert, bis ich merkte, dass die Liebe meines Lebens nur auf den richtigen Moment gewartet hatte. Wir kannten uns seit Jahren und wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich es immer gewusst. Es war ein bisschen wie im Film, wo man den beiden zurufen möchte, sie sollen doch mal bitte die Augen auf machen, sie stehen doch direkt davor, vorm großen Glück. Ich habe ihm dann dieses Lied zusammen mit vielen anderen vorgespielt und ihm davon erzählt, wie es mir ging. Er hat gefragt, warum ich ihn denn nicht angerufen hätte, an solchen Abenden, er wäre sofort gekommen. Aber ich schätze, es war nicht die Zeit dafür, ich musste da alleine durch. Und dieses Lied an einem x-beliebigen Tag ruft mir genau das in Erinnerung: dass nichts selbstverständlich ist und ich das alles, was ich jetzt seit Jahren mein Leben nenne, so vermisst habe.
Bild via Andrik Langfield Petrides