Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, wenn ich nicht schlafen kann, ist es durch die Fotos auf meinem Telefon zu scrollen. Und weil so viele davon nie auf Instagram landen und traurig im Stream vor sich hin dümpeln, gibt es hier und da Updates aus dem Alltag.
Neulich waren wir bei der Queen zum Tee eingeladen und saßen dann sehr gemütlich im Salon und aßen Scones, stilecht mit Clotted Cream, es gab sogar eine Étagère mit Sandwiches (ohne Rinde) drauf. Es war herrlich! Und dann kam die Rechnung. Ich hätte es wissen müssen, die Queen wohnt nicht bei uns um die Ecke im Victorian House. Aber fast! Wir fühlten uns im Übrigen sehr jung, der Altersdurchschnitt lag ungefähr bei Prince Charles und tatsächlich redeten viele Gäste englisch. Da gehe ich mal wieder hin, auch wenn mir von der Clotted Cream (und der Rechnung) doch ein kleines bisschen schlecht war.
Leipzig, hach. Jedes Mal wenn ich da bin, schwanke ich zwischen “So schön hier!” und “So klein hier!”, zwischen “idyllisch” und “hier hat sich ja kaum was getan”, zwischen “so viele Freunde wohnen noch hier” und “ich fühle mich als wäre ich in die Vergangenheit gereist”. An jeder Ecke erwarte ich, mir selbst als Studentin zu begegnen und ich fühle mich so viel älter und angekommener, das merke ich im Alltag sonst gar nicht so unbedingt. Ein Geständnis: Ich mag erwachsen sein. Ich finde es sehr viel weniger anstrengend als Teenager oder Twen (sagt man das noch) zu sein und nein, ich wäre nicht gerne wieder zehn, ich bin gerne 34, hier und jetzt. Ist das da eigentlich eine neue Falte unter meinem Auge? Ach nee, nur verschmierter Lidschatten. Ich habe in Leipzig nicht sehr viele Fotos gemacht, nur ein paar schlechte vom besten vietnamesischen Essen außerhalb Vietnams beim An Nam, einem Laden, den ich noch davon überzeugen muss, eine Außenstelle in München zu eröffnen. Und ich habe ein Bild gefunden von den ausgezeichneten Eggs Benedict mit Spinat im Café Cantona. Und von ein paar lieben Freunden, auch wenn wir mit anderthalb Tagen eindeutig zu wenig Zeit zum essen und Freunde treffen hatten!
Ein schönes Erlebnis hatte ich im Leipziger Starbucks: Ich bestellte eine der Weihnachtsspezialitäten – Peppermint Mocha – ich hatte davon gelesen, allerdings im Internet und scheinbar im US-amerikanischen Teil. In Deutschland gibt es keinen Peppermint Mocha, in Leipzig aber schon. Der freundliche Mitarbeiter sagte nur: “Mach ich dir!” und ich hatte kurz Angst, ob das jetzt was Zusammengeschustertes werden würde und war dann sehr froh, weil es wie trinkbares After Eight schmeckte. Ich liebe After Eight!
Und apropos kleine Städte. Meine Schwiegermutter wohnt in einer, sogar noch viel kleiner als Leipzig, und jedes Mal, wenn ich da bin, überkommt mich dieses mir fremde Verlangen nach Überschaubarkeit und Gemütlichkeit. Ich überlege dann manchmal ernsthaft hinzuziehen und samstags beim Edeka einzukaufen und mir sonst alles übers Internet zu bestellen. Was mich dann jedes mal abhält ist nicht nur der Fakt, dass man überall mit dem Auto hinfahren muss, sondern auch die Frage nach dem Arbeitsplatz. Und das macht mich dann einerseits sauer, weil ich es nicht mag, meine Stadt nach der Arbeit auszusuchen und andererseits froh, weil ich da alleine hinziehen müsste, in die Kleinstadt. Alex möchte nicht zurück nach Franken und er möchte mehr als 500.000 Einwohner. Ich übrigens auch, ich vergesse es nur manchmal. Was auf jeden Fall super ist, ist der Ausblick aus der schwiegermütterlichen Wohnung auf den zentralen Platz mit Weihnachtsbaum und Lebkuchenmarkt (!) und allem. Und es hat sich so schön heimelig angefühlt, vor allem als dann auch noch Alex’ Schwiegermutter aus Dresden rübergefahren kam um uns ihre Enkelin zu sehen.
Nochmal zurück zu meiner After Eight-Liebe, sie ist so groß, dass mein Adventskalender in diesem Jahr in Form des Big Ben im Flur steht und mir jeden Tag eine minzige Schokoladigkeit schenkt. Daneben steht der Schokoladenturm (vertikale Kalender scheinen ein Trend zu sein) vom besten Mann der Welt (er hat sich beschwert, dass ich ihn hier nur noch bei seinem Namen nenne) und wiederum daneben an der Wand hängen die zwei (!) Kalender meiner Tochter, die noch gar keine Ahnung hat, was Adventskalender überhaupt sind. Ja, ich bin neidisch, weil meine Mama früher mal MIR einen Kalender gebastelt hat, aber okay, das gehört wahrscheinlich dazu zu diesem Erwachsensein, das ich ja so super finde. Im ersten Türchen waren vier kleine Schokoladenkugeln drin, die sie sich alle auf einmal in den Mund steckte und dann das glücklichste Schokoladensabbergesicht hatte. Ach, ich liebe Weihnachten, jetzt sogar noch mehr. Der zweite Kalender ist von ihrer zweiten Oma, ich konnte mich da in diesem Jahr noch entspannt zurücklehnen, denn drei Kalender wären wirklich übertrieben!
Ich habe stattdessen den Baum besorgt, der jetzt mit Lichterkette geschmückt auf dem Balkon steht. Wir kaufen seit vier Jahren einen Adventsbaum, stellen ihn vor die Balkontür und fühlen uns jedes Mal sehr clever dabei, weil er weder Platz wegnimmt, noch uns die Bude vollnadelt. Die Lichterkette ist an eine Zeitschaltuhr angeschlossen und pünktlich zur Dämmerung leuchtet sie los und pünktlich zum Auftauchen meiner mütterlichen Erwartungen, tut meine Tochter genau das Richtige und stellt sich an die Balkontür, um mit offenem Mund und strahlenden Augen den Baum zu bestaunen. Sie ist so eine Streberin! Ich bin froh, denn das heißt, dass wir bald mit dem Klavierunterricht beginnen können.
Und noch ein Geständnis: Ich bin verliebt in eine Lichterkette. Es gibt sie neu bei Ikea und sie funktioniert drinnen und draußen und in jedem Zimmer und einfach nur an einem Haken aufgehangen runterbaumelnd. Die Glühbirnen sind zwar fake und eigentlich LED, aber es ist die Mutter aller Lichterketten, jedenfalls so wie ich sie mir vorstelle. Und Lichterketten sind die halbe Weihnachtsdeko, jedenfalls bei uns zuhause.
Ich wünsche Euch einen schönen Advent mit viel Schokolade und Lichtern!