Bekloppt | Julie Fahrenheit

Ich liege im Bett, die ganze Familie schläft und weil ich nicht kann, schaue ich Fotos auf dem Handy an. Es sind fast nur Babyfotos, viel zu viele für knapp drei Monate, aber erzähl das mal einer verliebten Mutter. Die nachts vom Baby, das neben ihr liegt, Fotos anschaut. Peinlich ist mir das aber trotzdem nicht, ich bin halt jetzt Mutter, bekloppt vor Liebe. So muss es ja auch sein, sagte neulich eine unserer Ersatzomis hier im Haus dazu.

Was nicht sein muss, sind Schuldgefühle, die leider im fest geschnürten Paket mit der Liebe geliefert werden. Gestern habe ich dem Baby zum Beispiel eine Hose angezogen, bei der der Gummizug zu eng war (danke Zara!), das aber ewig nicht gemerkt. Das Baby weinte und war nicht zu beruhigen und als ich dann endlich die Ursache gefunden hatte, fühlte ich mich so schlecht, dem armen Kind das angetan und ihre Schreie nicht verstanden zu haben, dass ich fast geweint habe. Bekloppt! Und dann gibt es noch die Schuldgefühle, die man sich unnötig ins Haus holt – in Form von Ratgeberliteratur. Normalerweise ein Genre, das ich meide, aber da ich noch nie vorher ein Baby hatte, kann so ein bisschen Expertenhilfe nicht schaden, dachte ich mir. Ich habe mich geirrt. Oder mir die falschen Bücher rausgesucht. In den meisten stand nämlich entweder nichts so wirklich drin (es ist erstaunlich, wie manche Autoren ein ganzes Buch mit Nichts füllen können) oder sie stellten Thesen auf, die sie nicht belegen konnten oder die Ansprache war so von oben herab, dass erwähnte Schuldgefühle nur so in mir hochschwabten. Im schlimmsten Fall auch alles auf einmal. Nachdem ich mich mit ein paar Büchern rumgeschlagen hatte und meine Sätze immer mit “Ich hab gelesen, dass” begannen, war ich fix und fertig. Das Kind auch. Denn wenn man mehrere Bücher parallel liest, ist alles durcheinander, weil es scheinbar (wie so oft im Leben) nicht den einen richtigen Weg gibt, sondern hunderte. Gut für die Ratgeberindustrie, schlecht für alle, die Rat suchen. Ich habe die Bücher also fast alle beiseite gelegt und höre jetzt wieder auf meine (manchmal auch etwas wirren) Instinkte und vielleicht noch auf meine Mutter. Die ist Pädagogin und hat mich und meinen Bruder auch ganz gut hinbekommen.

Die einzigen Kinderbücher, die mir jetzt noch ins Haus kommen, sind die mit Bildern drin. Und ausgedruckte Fotoalben.

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