Was das eigentlich heißen solle, “Weihnachten IN Familie”, fragt der Mann, ob das überhaupt richtiges Deutsch sei oder sich das der Schöbel selber ausgedacht habe? Jedes Jahr das Gleiche im Dezember, Ost und West prallen aufeinander, mit mehr Fragen und Unterschieden als sonst. Normalerweise missverstehen wir uns ja nur bei einzelnen Wörtern (Wischtuch vs. Geschirrtuch) oder simplen Umgangsformen (Schuhe aus daheim vs. Schuhe an), aber immer im Dezember, wenn ich die Figuren aus dem Erzgebirge und die Weihnachtsmusik mit dem grünen Cover rauskrame, wächst zwischen uns ein rosinenstollentiefer Graben.
Zu überbrücken ist der nur mit neuen Traditionen, die weder ich noch er sind, sondern wir beide. Unsere Weihnachtsplaylist gehört dazu, die seit sechs Jahren immer weiter wächst (wir haben mittlerweile über 3000 Stunden schönste Weihnachtslieder, von den Smashing Pumpkins bis Dean Martin) und der Weihnachtsbaum auf dem Balkon, der durchs bodentiefe Fenster glitzert und mit dem wir uns jedes Jahr wieder ganzschön clever fühlen – man sieht den Baum nämlich, muss aber drinnen keine Nadeln wegsaugen. Auf das Ritual mit den vier Kerzen können wir uns auch einigen, genau wie auf “Kevin allein zuhaus” und “Nightmare before Christmas”. Aber dass Weihnachten zum Beispiel auch viel Stress ist, das sieht der Mann nicht ein, und auch nicht, dass es dringend noch eine Pyramide sein muss, der ich als Kind gerne stundenlang beim Drehen zugeschaut habe. Und eben die Sache mit Frank Schöbel und seiner zuckersüßen Familie, die mich immerhin seit 1985 durch den Advent begleiten, inklusive Stachelschwein und mißratenem Weihnachtsbaum. Ich kann die Texte und alle Instrumente von vorn bis hinten mitsingen, ich fange an, den Beginn des nächsten Liedes zu summen, sobald das davor ausgeklungen ist, dieses Album ist ein zusammengeschmolzenes Weihnachtszuckerding für mich, das ich wie eine alte Baumspitze jedes Jahr wieder hervorkramen MUSS – sonst ist nicht Weihnachten!
Auf Glühwein kann ich verzichten, auf “Weihnachten in Familie” nicht. Der Mann lässt es alle Jahre wieder über sich ergehen, auch dafür liebe ich ihn sehr. Und vielleicht sieht er irgendwann ein, dass der gute, alte Frank Schöbel manche Dinge einfach am besten in Worte fassen kann:
Ich wünsche dir von Herzen /
Liebe und viel Glück!