Klischees sind ein Quatsch, bis auf manchmal, wenn sie stimmen. Frauen zum Beispiel vergleichen sich gern mit anderen, am liebsten so, dass sie dabei verlieren. Ich habe das schon oft beobachtet, fast ausnahmslos bei sehr tollen Menschen. Ihnen geht es gut, würden sie sich selbst treffen, wären sie vermutlich neidisch auf diese Frau. Trotzdem sind sie permanent auf der Suche, so scheint es, nach Verbesserung oder zumindest Veränderung. Ich selbst dagegen habe meistens eine gesunde Zufriedenheit an den Tag gelegt, Vergleiche sind doch Quatsch (ähnlich wie Klischees) und geht es nicht sowieso eher darum, was ICH so erwarte von diesem Leben und nicht die anderen?!
Soweit so gut. Aber man ist niemals sicher, wie ich neulich gemerkt habe. BOY waren bei mir zum Interview, zwei ganz wunderbar nette Damen, die gerade mit ihrer kleinen Band ziemlich durch die Decke gehen. Als wir so darüber sprachen, fielen ihrerseits Sätze wie “Ich habe gekellnert, aber eigentlich habe ich gewartet, lange gewartet, dass das mit der Musik endlich losgeht.” Da dachte ich mir: ‘Wow! Ich bewundere Menschen, die dieses eine Ziel im Leben haben. Ich will das auch.’ Also nicht Musikerin werden (eigentlich schon, aber es reicht nicht aus, ich sehe das ein), aber diesen einen Wunsch haben, der dann in Erfüllung geht, das klingt fast schon wie im Märchen. Warum hab ich das nicht? Während ich darüber nachdenke, erzählen die Beiden weiter und sehen so glücklich aus dabei. Sie sagen, sie hätten viele Jahre gearbeitet und gehofft, sogar in ihrer Musik ging es ums Wünschen. So ist zum Beispiel der Mann in “Little Numbers” gar keiner, stattdessen geht es da um den mit Sehnsucht erwarteten Anruf von der Plattenfirma. Sie wussten immer, dass sich bald alles ändern würde, aber wann, das wussten sie nicht. Jetzt sind sie erleichtert, wie Sau, auch wenn es seitdem drunter und drüber geht mit ihrem Leben. ‘Hach, muss das schön sein, dieses Ziel zu haben und viel schöner noch, es zu erreichen,’ siniere ich wieder und ich denke es noch, als ich später mit dem Fahrrad nach Hause fahre. Und immernoch am nächsten Morgen. Und dann… dreht der beste Mann der Welt kurz durch, als ich ihm ganz bedrückt davon erzähle und dann sehe ich es selbst: Ich habe Ziele, verdammt nochmal und ich habe sogar Haken hinter Zielen, die ich mal hatte. Leider hat mich in diesen Momenten keiner interviewt dazu und gefragt, wie sich das so angefühlt hat, mit der besten Freundin die Welt zu bereisen, über den Steg im Indischen Ozean zu laufen, auf die weiße, kleine Insel zu und dann in der Hängematte zu liegen. Auch hat keiner das Mikro hingehalten als ich den Abschluss endlich hatte, nicht als ich die Menschen, die mir am Herzen liegen, in den Arm genommen habe und auch nicht, als der oben erwähnte beste Mann der Welt gesagt hat: “Ach, Scheiss drauf, lass uns knutschen!”, um hier nur ein paar Beispiele zu nennen. Ich habe sie nicht verpasst, die Momente des Glücks und der Zielerfüllung, aber ich tendiere zum Vergessen, ich dumme Nuss. Vielleicht sollte ich mich mal öfter selber fragen “Sag mal, wie war das damals? Wie hast du dich gefühlt? Wie hoch hast du geschwebt?” und dann beim Antworten lächeln, so wie BOY jetzt hier. Und ich sollte noch öfter dieses Album hören, denn ich habe es scheinbar noch nicht kapiert: “Take off your shoes now / you’ve come a long way. You’ve walked all these miles / and now you’re in the right place.”